Die meisten Frauen in meiner Familie hatten rotgefärbte Haare und die meisten Männer schrieben Bücher. Als Kind dachte ich deshalb, erwachsen ist man, wenn man rotgefärbte Haare hat und Bücher schreibt.

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Doch bis es endlich soweit war, dass ich mit rotgefärbten Haaren Bücher schrieb, musste ich erst unbeschadet eine glückliche sozialistische Kindheit in Leipzig überstehen, Volksbuchhändlerin werden, heiraten, ein Kind bekommen und mich scheiden lassen, ein Germanistik- und Slawistikstudium in Frankfurt am Main abbrechen und wieder heiraten, als Werbetexterin, Bibliothekarin und Korrektorin meinen Teil zum Haushaltsbudget beitragen und alle Welt davon überzeugen, dass das Schreiben nicht nur ein nettes Hobby ist, sondern mein vollster Ernst. 1998 war es soweit: Ich veröffentlichte einen kleinen Essay in einem Schweizer Literaturmagazin. Mein Honorar betrug 20 Briefmarken zu je 1 Franken.

Die nächsten zwei Jahre gelang es mir immer mal wieder und zur großen Freude meiner Großmutter, Geschichten in einer Romanzeitung zu veröffentlichen. Doch dann kam das Jahr 2000! Der große Durchbruch! Mein erster Roman erschien im Heyne-Verlag. Er hieß „Die Spiegeltänzerin“.

Das Buch, das meinen Namen auf dem Titel trug und nicht nur in meinem Bücherregal stand, motivierte mich immens. Ich las, las, las, um zu lernen und besser zu werden. Die Bücher meiner Lieblingsautoren und -autorinnen nahm ich regelrecht auseinander. Und dann hatte ich endlich den Mut, ein Projekt zu beginnen, das schon seit langem in mir brodelte: Die Romanbiografie über Matthias Grünewald.

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Ich recherchierte ein ganzes Jahr lang und ein weiteres Jahr schrieb ich, neben meinem Beruf, an diesem Roman. Als er im Jahr 2002 veröffentlicht wurde, war ich sehr stolz. Dieses Buch hatte ich wahrhaftig mit Herzblut verfasst. Doch noch immer schrieb ich nicht so gut, wie ich eigentlich wollte. Wieder las, las und las ich, begann ein Studium der Kulturwissenschaft, übte mich in Rhetorik und Geschichte, denn seit dem „Maler Gottes“ wusste ich, dass meine Liebe dem historischen Genre gehört.

Ich machte viele Lesungen, hörte auf die Meinungen der Leser und Leserinnen, stöberte in Archiven und Instituten, unternahm ein paar Reisen und Ausflüge, lernte und las, las,las.

Im Jahr 2003 wagte ich den großen Schritt in die Freiberuflichkeit. Von nun an lebte ich nur noch vom Schreiben. Doch das Klischee des Nachtarbeiters mit einem Rotweinglas neben der Schreibmaschine trifft auf mich nicht zu, obwohl ich sehr gern Rotwein trinke. Ich habe ein Büro, in dem ich an jedem Morgen zwischen 9 und 10 Uhr meinen Computer einschalte und eine Kanne Tee koche. Während des reinen Schreibens arbeite ich so lange, bis ich mein Tagessoll erfüllt habe. Meist ist das gegen 19 Uhr der Fall. In Recherche- und Konzeptphasen verbringe ich zahlreiche Tage in Archiven und Bibliotheken und bekomme noch immer Herzklopfen, wenn ich einen wichtigen Fakt entdeckt habe.

Noch immer bemühe ich mich, mit jedem neuen Buch besser zu werden. Die rotgefärbten Haare sind inzwischen schwarz, doch die Leidenschaft, die Besessenheit, Bücher zu schreiben, ist geblieben.

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